Zurück zur
Übersicht Antworten
von Sue Sikking
Lieber Freund,
Deine Frage wird heute häufig gestellt ‑ und es gibt eine Antwort darauf.
Du fragst: „Was ist mit den jungen Leuten los?“ Das führt
uns vielleicht zu einer anderen Frage,
zu einer Frage, die wir uns selbst
stellen könnten: „Was ist mit uns Übrigen los?“ Wenn wir uns das fragen
und der
Frage nicht ausweichen, haben wir vielleicht die Antwort auch für die junge
Welt.
Um es gleich zu sagen, ich glaube nicht, dass im Grunde
etwas falsch ist mit den jungen Leuten. Natürlich
ist seit undenkbaren Zeiten
immer etwas falsch gewesen mit den jungen Leuten ‑ sie sind jung. Das ist immer
ein Problem. Sie sind neu. Sie gehören zu einer neuen Generation. Heute und in
unserem Zeitalter gehören
sie nicht nur zu einer neuen Generation, sondern zu
einem neuen Zeitalter. Generationen kommen und gehen, die Geschichte wiederholt
sich selbst, aber in einem neuen Zeitalter gibt es einen neuen Plan, eine neue
Lebensweise, eine neue Welt.
Diese jungen Leute gehören zu einer neuen Welt. Sie wurden im Vorhinein auf diesen Weg vorbereitet, der ihr Weg ist ‑ ein Weg, den noch niemand betreten hat. Jede Generation kommt in das Leben und ist für das Zeitalter, in das sie geboren wird, ausgerüstet. In der Vergangenheit konnten die Älteren den Jüngeren erzählen, wie es um die Dinge in der Welt der Erfahrung bestellt war. Aber selbst diejenigen, die viele Erfahrungen erlebt haben, wissen nicht, was ihnen in dem neuen Zeitalter bevorsteht. Niemand kann heute auch nur ahnen, was kommen soll. Die Wegweiser, die vergangene Generationen leiteten, sind für die Menschen dieses Zeitalters ohne Nutzen. Die jungen Menschen sind Bahnbrecher, Pioniere. Es gibt keine Wegweiser für diese jungen Menschen; sie werden ihre eigenen aufrichten und sie denen, die nach ihnen kommen, zurücklassen.
Die jungen Leute von heute haben Mut, Findigkeit und ein
großes Gefühl für Ehrlichkeit. Das ist manchmal ein Schock für Eltern und
Großeltern, die ein oder zwei Generationen hindurch mit Menschen gelebt haben,
die nicht immer waren, was sie zu sein schienen. Viele haben hinter einer
Fassade gelebt, hinter einer dünn übertünchten Außenseite, die dazu diente, die
innere Realität zu überdecken. Dies geschah zum Nutzen ihrer Umwelt und
veranlasste andere, sie für etwas zu halten, was sie nicht waren. Dieser ganze
leere Schein fehlt bemerkens-werterweise unseren jungen Leuten. Sie haben oft
eine vollkommene Aufrichtigkeit, die für Menschen, die sich hinter einer
althergebrachten Außenseite zu verstecken gewöhnt sind, äußerst beunruhigend
ist. Die jungen Leute sorgen sich nicht darum, was die Leute denken oder sagen
mögen, denn in dem neuen Zeitalter können die ihren Platz ohne vollkommene
Aufrichtigkeit nicht behaupten.
Wir hören von der „verwegenen und respektlosen Haltung“ der
jungen Leute. Vielleicht ist das der Pendelausschlag weg von dem „Menschen, der
ist und gleichzeitig nicht ist“, denn die jungen Leute durchschauen diesen
Menschen. Wir Angehörige der älteren Generation sind dieser Mensch. Wir haben
ein äußeres Gewand angenommen, um in der Welt vorwärts zu kommen, um Menschen
zu beeinflussen. Irgendwo haben wir unser Selbst verloren, das „vor Gott
ehrlich“ ist. Wir haben uns in einer Welt von falschen Fassaden verloren.
Ein Vater war sehr schockiert und gedemütigt, weil sein Sohn
in der Schule betrogen hatte und erwischt worden war. Der Sohn sagte: „Ich
verstehe nicht, warum Vater sich so aufregt ‑ er macht doch so etwas täglich.“
Er führte Beispiele von Geschäften und Geschäftspraktiken ebenso wie von
Manövern in den sozialen Angelegenheiten an. Diese Dinge gehörten so sehr zu
der Welt des Vaters, dass er sich ihrer nicht einmal bewusst wurde. Die
Beschuldigung überwältigte ihn. Sie bewirkte bei ihm eine rasche
Sinnesänderung. Aus diesem Vorfall erwuchs ein neues Verständnis zwischen Vater
und Sohn wie auch ein neuer Antrieb zu erkennen, wer sie wirklich sind.
Vielleicht müssen wir uns alle einmal sehr genau betrachten.
Dies ist der Ausschlag des Pendels. Wir nennen diese jungen
Leute vielleicht die spannungsgeladene Generation, die verlorene Generation
oder mit irgendeinem anderen Namen, aber sie ist die Zukunft. Sie sollen die
Welt vorwärts tragen. Sie sind gekommen, um unseren Platz einzunehmen und
niemand kann in diesem Augenblick vorhersagen, wie dieser Platz aussehen wird ‑
keine Professoren, Wissenschaftler, Eltern, nicht einmal die jungen Leute
selbst. Vielleicht spürt die Jugend dieses Zeitalters unsere Enttäuschung,
unsere Unausgeglichenheit, während diese großen Veränderungen stattfinden. Wir
haben ein schwaches Gefühl der Angst und des Ungenügens und wir haben dieses
Gefühl auf unsere Kinder übertragen.
Dieses verlorene Gefühl ist das erste Symptom einer
Generation, die große Dinge tun wird. Wir brauchen uns
nicht zu schämen, weil
wir Angst haben. Ein tapferer Mensch ist ein Mensch, der Angst gehabt hat. Eine
neue Generation junger Menschen, unzufrieden mit unseren Wegen ‑ den alten
Wegen, die für unsere Eltern und Großeltern gut genug waren ‑, trägt das
Geheimnis des Lebens in eine neue Welt. Wir wollen nicht danach
trachten, sie
uns gleich zu machen, denn sie gehören zu dem neuen Zeitalter. Wir wollen ihnen
lieber helfen
und an sie glauben, selbst wenn wir sie nicht verstehen.
Vielleicht ist es uns nicht gegeben, etwas zu verstehen, zu dem wir nicht
wirklich gehören. Das neue Zeitalter gehört ihnen, nicht uns. Wir gehören zu
dem alten Zeitalter, das seine Zeit gehabt hat.
Wir klagen vielleicht, dass die jungen Menschen von heute
keinen Respekt vor den Gesetzen und Gepflogenheiten des Lebens zeigen.
Vielleicht verlassen sie das Gespinst von Einbildung und verborgener Intrige,
das so viel vom Leben und Handeln jedes Menschen in dieser Welt des
So-Tuns-als-ob[DTC1] , ausmacht. Es gibt kein So-Tun-als-ob für diejenigen, die von unserem Maßstab
aus weitergehen müssen. Es wird kein Als-ob in den Menschen geben, denen es
bestimmt ist, die unsichtbare Welt zu beherrschen. Wie können wir mit unseren
kleinlichen Differenzen, verletzten Gefühlen, unseren Plänen und Entwürfen und
den Mitteln, die wir einsetzen, um erwünschte Ziele zu erreichen, etwas von der
seelischen Lauterkeit der Jugend dieses neuen Zeitalters wissen? Die
Ehrlichkeit der Männer und Frauen des neuen Zeitalters ‑ der Männer und Frauen,
zu denen unsere Kinder werden sollen ‑ muss eine innere Erfüllung haben, eine
ungeteilte, ungebrochene Einheit. Wir haben sie nicht, wir haben sie nie
gehabt, wenngleich wir sie flüchtig gesehen haben. Wir wissen: es gibt sie. Sie
wird nicht Schwächlingen gehören, sondern Menschen, die im unsichtbaren Wesen
des Lebens stark sind. Nichts kann sie aufhalten.
Wir hatten die Steinzeit, die Eisenzeit, wir haben das
Raumzeitalter, aber dieses starke, mächtige Kind, an dem Du fast verzweifelst,
gehört zum Zeitalter des Unsichtbaren. In dem unsichtbaren Reich von Geist und
Herz wie in dem unsichtbaren Bezirk des Himmels finden die jungen Menschen von
heute die Antwort für ihren Geist und lösen das Rätsel ihrer Enttäuschung über
unsere alten Wege und Mittel.
Die größte Kraft ist die unsichtbare Kraft. Einst glaubte
der Mensch, die Erde wäre eine Scheibe, aber er entdeckte, dass sie eine Kugel
ist. Es eröffnete sich eine neue Welt für ihn. Wir stehen heute an einem
solchen Kreuzweg. Wir haben geglaubt, unsere Welt wäre materiell, fest,
unveränderlich, aber wir stellen fest, dass sie eine Welt von unsichtbarer
Kraft ist, bewegend und bewegt vom Geist des Menschen. In der Vergangenheit
dachten wir, unsere Welt sei geschaffen. Wir nahmen sie hin, wie sie war, gut
oder schlecht, reich oder arm und wir machten das Beste daraus. Aber die jungen
Menschen werden mit ihrem Geist ihre Welt bauen. Sie wissen nicht, was auf sie
zukommt, aber sie wissen, dass sie etwas in sich haben, um allem, was kommt, zu
begegnen ‑ und das macht den Unterschied zwischen ihnen und uns. Die Welt ist
nicht nur in ihren Händen, sondern in ihrem Geist und Herzen. Ihre Einstellung
ist die wichtigste Entwicklung des Lebens. Die jungen Menschen der Welt von
heute sind zu einem ganz bestimmten Zweck hier an dieser Stelle und zu dieser
Zeit. Sie sind im Plan der Dinge, weil in ihnen die Kraft liegt, die Antworten
zu finden.
Alles, wovor sich der Mensch fürchtet, ist vom Menschen
gemacht und die jungen Leute sind gekommen, es zu ändern. Die jungen Leute
werden das Ende von Krieg, Hass und Gier erleben, denn es gibt eine größere
Aufgabe für ihren Geist als diese Dinge. Sie werden keine Schlafwandler sein,
denn sie werden erkennen. Für die Menschen des neuen Zeitalters wird ein
Versagen unmöglich sein. Sie werden nicht vor etwas davonlaufen ‑ sie werden
einstehen und es zu Ende bringen. Sie werden nicht niederreißen, sie werden aufbauen.
Wenn die Dinge nicht gut sind, werden sie sie gut machen.
Die jungen Leute haben eine rechte Welt. Wache auf und
glaube an sie! Wenn Du dies nicht tust, werden sie
Dich weit zurücklassen, doch
auch Du musst vorwärtsgehen.