Einheit. Du machst das Universum vollständig

Silent Unity Brigitte Jach, 18.04.2020


Das Konzept der Einheit wird dir zeigen, daß du nicht deines Bruders Hüter bist, sondern dein Bruder.


Du machst das Universum vollständig

„Ich und der Vater sind eins.“ – Joh. 10:30


Graf Leo Tolstoi wurde auf einem abendlichen Bummel von einem ausgemergelten Bettler angehalten. Als der gefeierte Autor sah, daß der Mann hungrig war, faßte er in seine Taschen, um nach Geld zu suchen, fand aber nicht einen einzigen Pfennig.

Tolstoi war bestürzt über seine Unfähigkeit, diesem Mann zu helfen. Er nahm die rissige und schmutzige Hand des Bettlers in seine und sagte mit trauriger Stimme: „Vergib mir, Bruder. Ich habe nichts bei mir, was ich dir geben könnte.“ Da erhellte sich das blasse, müde Gesicht des Bettlers. „Oh, Sie haben mir gerade ein großes Geschenk gemacht“, sagte er lächelnd. „Sie haben mich Bruder genannt.“


Einzigartig und doch gleich

Oberflächlich gesehen, mögen wir alle sehr verschieden voneinander aussehen. Schließlich gehören wir unterschiedlichen Rassen an, leben in unterschiedlichen politischen Systemen, haben unterschiedliche Religionen, Philosophien, Glaubenssysteme, Nationalitäten, Meinungen und Wertvortstellungen. Der eine von uns mag ein magerer Bettler sein, während ein anderer ein gebildeter Schriftsteller ist. Aber sind wir uns wirklich so unähnlich? Wahrscheinlich bemerken wir zu häufig unsere oberflächlichen Unterschiede und übersehen dabei unser kaum faßbares Einssein.

Wir haben bereits gelernt, daß unser Wesenskern, unsere Individualität, die einzigartige Weise ist, in der Gott in jedem von uns existiert. (Erinnerst du dich? Wir nennen dies auch den Christus oder den individuellen Geist.) Er ist unabhängig von unserer Rasse, Religion, Nationalität oder unserem Geschlecht. Er ist unabhängig davon, wie wir aussehen, wie wir uns verhalten, was wir glauben oder was andere von uns halten. Er ist unsere Verbindung zu Gott, dem allgegenwärtigen Schöpfer alles Existierenden.

Vielleicht hilft es dir, wenn du dir noch einmal eine Welle im Ozean vorstellst. Jede Welle ist ihrem Wesen nach Ozean, sie war es und sie wird es immer bleiben. Um anders zu erscheinen, mag sie aufgewühlt sein, brodeln und schäumen, aber das beeinträchtigt nicht ihr eigentliches Wesen. Verwechseln wir nicht Schein mit Sein. Die Welle im Ozean mag grollen und sich unter dem Einfluß des Windes hoch und bedrohlich aufbäumen. Unter dem Einfluß der warmen Sonne beruhigt sie sich und verflacht. Wir können die eine Welle katholisch, eine andere jüdisch und wieder eine andere hinduistisch nennen. Wir können bestimmte Wellen als weiblich und andere als männlich bezeichnen. Wir können einige Wellen als Demokraten und andere als Republikaner identifizieren. Dies beeinträchtigt aber in keiner Weise das Einssein der Welle mit dem Ozean und, damit zusammenhängend, ihr Einssein mit anderen Wellen.

Gerade der Umstand, der uns so vollkommen einzigartig macht, macht uns auch so vollkommen gleich. Auf einer Ebene weit unter unseren oberflächlichen Persönlichkeiten lebt der Christus, und diese göttliche Gegenwart ist in jedem von uns vollständig die gleiche. Ihre Wirkung ist im Leben eines jeden zweifellos einzigartig, aber ihre Gegenwart ist in uns allen identisch. Egal wie eine Welle aussieht, sie ist immer Ozean.


Keine Grenzen

Was für eine Bedeutung hat das für dich? Es bedeutet, daß es auf deiner tiefsten spirituellen Ebene keine Grenze gibt, an der du aufhörst und der andere anfängt. Gibt es eine Grenze zwischen zwei Wassertropfen in der Weite des Meeres? Nein. Und genausowenig kannst du dich (dein „wahres“ Selbst) vom Rest des Universums abtrennen.
Das Wort Universum bedeutet „eins, ganz geworden“. Ganz wörtlich genommen, wäre das Universum ohne dich unvollständig. Ein Ganzes braucht alle seine Bestandteile, wobei kein Teil wichtiger ist als ein anderer.

Beginne in diesem frühen Stadium deiner Suche damit, die Dinge aus dem Blickwinkel der Einheit zu betrachten. Sieh, wie alle Dinge miteinander verbunden sind. Warum? Weil entgegen dem, was uns die Schlagzeilen der Nachrichten suggerieren, die große Anstrengungen unternehmen, unsere Unterschiedlichkeit herauszustreichen, Einheit der natürliche Zustand der Menschheit und der innere Drang nach Einheit eine natürliche Tendenz im Universum ist. Die wissenschaftliche Literatur strotzt vor Beispielen, wie unterschiedliche Zyklen und Rhythmen in der Natur synchronisiert sind. Diese Tendenz zur Synchronisation mit dem Rhythmus des Universums läßt sich überall finden. Im Menschen beginnt sie bei der Empfängnis, wenn Herzschlag, Atmung und der allgemeine Lebensrhythmus des Fötus sich dem der Mutter anpassen. Sie wird deutlich beim Stillen sichtbar, wenn sich der Herzschlag und die Atmung von Mutter und Baby synchronisieren. Seit Jahren ist bekannt, daß sich der Men­struationszyklus von Frauen, die in Gemeinschaftsschlafsälen untergebracht sind, ohne deren bewußtes Dazutun synchronisiert.

Eines der dramatischsten Beispiele für diese Bewegung in Richtung Einheit ist das Phänomen, das stattfindet, wenn einzelne Zellen von Herzgewebe in eine Nährlösung gegeben werden. Zuerst pulsiert und schlägt jede dieser mikroskopisch kleinen Zellen in ihrem eigenen, inneren Rhythmus. (Man wird an die kleinen elektrischen Christbaumkerzen erinnert, die in unterschiedlichem Tempo flackern.) Aber bald darauf geschieht etwas äußerst Seltsames. Zwei dieser winzigen Zellen kommen zueinander und beginnen sofort im selben Rhythmus zu schlagen! Dann verbinden sich zwei andere und pulsieren im selben Rhythmus. Und dann zwei weitere. Überall in der kleinen Schale streben einzelne Herzzellen einander zu und vereinigen sich. Bald beginnen die neugebildeten Duos sich mit anderen Duos zu verbinden, und auch sie schlagen, als ob sie eines wären. Dann verschmelzen diese Quadrupel mit anderen Quadrupeln, und so weiter, bis zum Schluß nur noch eine einzige Gruppe von Herzzellen übrig ist, die einen gemeinsamen Rhythmus hat!


Unser Einssein erkennen

In diesen winzigen Zellen ist etwas enthalten, das nicht nur weiß, daß sie Individuen sind, sondern das ebenso die Erkenntnis ihres Einsseins miteinander hat. Durch das Anerkennen dieses Einsseins wird jede von ihnen unerbittlich zur Verwirklichung dieses Einsseins getrieben.
Nicht nur Herzzellen streben eine Vereinigung an. In jedem Segment des Universums ist ein unstillbares Verlangen, eins mit dem Einen, eins mit dem Ganzen zu werden. Von der kleinsten Zelle in einer entlegenen Ecke des Kosmos bis hin zu dem komplexen Gebilde „Mensch“ besteht eine Sehnsucht, zurückzukommen, so wie der „Verlorene Sohn“ in das Haus seines Vaters zurückgekehrt ist. Dies ist die ewige Anziehungskraft des Schöpfers, der seine Schöpfung beständig näher zu sich heranzieht.
Jesus sprach oft über das Phänomen des Einsseins. „Ich und der Vater sind eins“, behauptete er und wurde tatsächlich eins mit dem Vater. Die Welle kehrte zum Ozean zurück.

Vielleicht bist du gar nicht an all diesen wissenschaftlichen Beweisen des Einsseins interessiert, aber wenn du einmal offen für diese Idee geworden bist, beginnst du, Zeugnisse des Einsseins überall in allen Dingen zu erkennen. Du verspürst dann ein inneres Drängen, dich wieder mit deinem wahren Sein zu verbinden. Du weißt dann, daß du Teil der großen schöpferischen Kraft bist, die wir Gott nennen.

Wenn die Idee des Einsseins einmal verstanden worden ist, wird die „Suche“ um vieles einfacher und um vieles bedeutungsvoller. Wenn du dein Einssein mit Gott, mit dem Universum, mit der Welt, mit allen Menschen nicht nur erkennen, sondern es wirklich feiern kannst, dann gibt es keinen Wettstreit mehr! Es gibt kein Bedürfnis mehr, jemanden zu überholen. Es gibt keine Angst mehr, zurückgelassen zu werden. Es gibt keine Besorgnis mehr, ob ich „meinen Anteil“ bekomme. Vielmehr erkennst du dann, daß jedes Mitglied der Menschheit ebenfalls auf einer „Suche“ ist. Wir haben alle die gleichen Träume, die gleichen Ängste, die gleichen Sehnsüchte. Die Reise einer einzelnen Seele ist tatsächlich die Reise aller Seelen. Wir können das erkennen, wenn wir bereit sind anzuhalten ... zuzuhören ... und Anteil zu nehmen.

Deine ganz persönliche und eigene Wahrnehmung des Einsseins besteht in dem freudigen Gefühl, das mit der Erkenntnis kommt, daß du genau dort stehst, wo du hingehörst – bei Gott. Du bist auf der „Suche“, weil du nach Hause kommen möchtest.


Gebet

Ich fühle meine Verbindung mit allem Lebendigen.
Mein Herz ist offen für das Einssein des Universums.
Meine Augen und Ohren sehen die Einheit aller Menschen.
Ihre Freude ist meine Freude, ihr Schmerz ist mein Schmerz,
weil jeder ein Teil des anderen ist.
Danke, Gott, für dieses Gefühl des Einsseins,
das meine Seele so tief berührt und bewegt.

Amen


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